Die Weihnachtsgeschichte 2018: Wie die blinde Asra mutig durchs Leben geht

Die Weihnachtsgeschichte 2018: Wie die blinde Asra mutig durchs Leben geht

Mein Name ist Asra. Ich bin 8 Jahre alt. Und ich bin blind. Vor drei Jahren sind wir aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Wir, das sind meine Eltern, meine drei Brüder und ich. Wir Kinder sind 2, 8, 10 und 12 Jahre alt. Hier ist es ganz anders als in Afghanistan. Dort gehen nur die Hälfte der Kinder zur Schule. Das liegt am Krieg, denn viele Schulen wurden zerstört und der Weg zur Schule ist gefährlich, weil es häufig Anschläge gibt. Für Mädchen ist es besonders schwierig, weil viele Menschen in Afghanistan glauben, Mädchen brauchen keine Bildung.

Jetzt wohnen wir in einer Wohnung in einer der beiden Siedlungen, die speziell für die Flüchtlinge in Karlsfeld gebaut wurden. Hier in der Hoch-straße wohnen 180 Menschen, überwiegend aus Syrien, Afghanistan und aus afrikanischen Ländern.

 

Meine zwei älteren Brüder und ich gehen hier in Deutschland natürlich zur Schule. Mein ältester Bruder hat es sogar geschafft, aufs Gymnasium zu kommen und so fährt er jetzt jeden Tag nach Dachau zum Effner. Mein mittlerer Bruder ist in der vierten Klasse und strengt sich jetzt in der Schule besonders an, weil auch er gern aufs Gymnasium möchte. Ich drücke ihm die Daumen, dass er es schafft. Besonders schwierig ist für uns das Fach Deutsch, weil wir ja erst vor drei Jahren begonnen haben, diese Sprache zu lernen. Unsere Eltern können uns dabei nicht helfen, sie gehen ja selbst zur (Volkshoch-) Schule und lernen Deutsch. Mein Vater muss seinen Führerschein neu machen, weil sein Führerschein aus Afghanistan hier nicht gilt. Die theoretische Prüfung hat er schon bestanden. Vielleicht findet er dann auch Arbeit. Wenn man so will, lernt gerade die ganze Familie, selbst mein kleiner Bruder, der gerade seine ersten deutschen Sätze spricht.

 

Ich besuche die Schule für Sehbehinderte in Unterschleißheim und gehe nachmittags dort in den Hort. Mir gefällt es dort ziemlich gut. Der Unter-richt für Blinde ist ein bisschen anders als für sehende Kinder. Ich kann zwar noch Farben erkennen und Licht, aber keine konkreten Gegenstände. Deshalb lerne ich nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern auch ganz praktische Tätigkeiten. Könnt ihr euch vorstellen, wie schwierig es ist, mit Messer und Gabel zu essen, wenn man schon die Hände braucht, um zu fühlen, wo der Teller steht? Kann ja jeder mal ausprobieren, mit ge-schlossenen Augen. Der Mobilitätsunterricht macht besonders viel Spaß. Da lernen wir, mit einem Blindenstock den Weg vor uns abzutasten und mit dem Stock Treppenstufen zu erfühlen. Ich kann auch Fahrrad fahren, aber eigentlich darf ich das nicht, weil ich keine Hindernisse erkennen kann, wenn sie dieselbe Farbe haben wie der Untergrund. Wenn ich groß bin, gibt es hoffentlich selbstfahrende Autos.

 

Im letzten Jahr habe ich gelernt, Punktschrift zu lesen. Das klappt schon ganz gut, nur meine Bücher sind unhandlicher als normale Bücher. Gerade lese ich die „Kleine Hexe“ und die Geschichte, die für Sehende in ein klei-nes Taschenbuch passt, benötigt in Punktschrift ungefähr so viel Platz wie ein voller DIN A4 Ordner. Kann man also nicht mal eben in die Tasche stecken.

 

Aber mein Handy passt in die Hosentasche. So ein Handy ist prima - man kann es so einstellen, dass es alle Inhalte vom Bildschirm vorliest, so dass ich es gut bedienen kann. Ich habe zwar keine SIM Karte und benutze es also nicht zum Telefonieren, aber ich höre damit Hörbücher. Momentan ist meine Lieblingsgeschichte der zweite Teil von Harry Potter. Manchmal spiele ich auch mit meinen Brüdern - wir haben ein Uno-Spiel mit Punkt-schrift, so dass ich auch die Karten ertasten kann.

 

Insgesamt geht es uns gut hier in Karlsfeld und ich wünsche mir sehr, dass es so bleibt. So viele Menschen haben uns geholfen, heimisch zu werden - vor allem vom Helferkreis erhalten wir Kinder Unterstützung bei den Hausaufgaben und meine Eltern Hilfe bei Behördengängen. Einen Tag nach Nikolaus haben wir einen Termin beim Ausländeramt - wir hoffen, für immer bleiben zu dürfen.

 

 

Wer Familien unterstützen möchte, ist im Helferkreis Asyl in Karlsfeld herzlich eingeladen.

Kontakt: koordination@hk-karlsfeld.de oder Elfriede Peil, Tel.08131 96945.

 

 

Protokoll und Foto: Helferkreis Karlsfeld (Peter Stainer)