Besuch in Muro Lucano - ein Reisebericht

Statue des Hl. Gerardo, Schutzpatron der Region

Mancher Bürger wird sich am Donnerstag, den 1. September gegen 12.00 Uhr über die Versammlung von Gemeinderäten aller Fraktionen, Bürgermeister Kolbe mit Gattin und dem Bürgerkomitee mit einigem Gepäck vor dem Rathaus gewundert haben. Es war das große Treffen vor dem Abflug nach Neapel um 14.40 Uhr. Der Bus zum Flughafentransfer stand bereit und pünktlich waren wir unterwegs.

 

Wegen des verspäteten Abfluges hatte sich die Ankunft in Neapel entsprechend verzögert, aber unser Bus war zur Stelle und der interessantere Teil der Reise konnte beginnen.

 

Nachdem wir bei strömendem Regen und mäßigen Temperaturen in Karlsfeld losgefahren waren, hat uns der wolkenlose Himmel und die hochsommerliche Temperatur nun doch überrascht und der vollklimatisierte Bus war dann eine Wohltat. Die Fahrt durch Neapel war nicht besonders eindrucksvoll, viele Baustellen, dichter Verkehr, aber wenigstens hin und wieder ein Blick auf den Vesuv, der sich friedlich zeigte. Kurz sah man auch ein wenig vom Golf von Salerno. Die Hauptstrecke ist wie eine Autobahn ausgebaut und führt genau nach Osten, Richtung Potenza, der Provinzhauptstadt.

 

Die Landschaft veränderte sich zu abwechslungsreichen Ausblicken, eine typische Mittelgebirgslandschaft, die Berge nur am Horizont erahnen lässt, viel Landwirtschaft, kaum Industrie, eine Region, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.

 

Nach kurvenreicher Fahrt endlich ein erster Eindruck aus der Entfernung, eine Bergkette, an der die Häuser bis in die Höhe emporwachsen, oben ein imposantes Gebäude und eine Statue, die im weiteren Verlauf dieses Besuches noch eine große Rolle spielte.

 

Nach der Ankunft in Muro Lucano sah das weitere Programm die offizielle Begrüßung auf dem „Don Minzoni Platz“ vor. Dieser Platz stellt den gesellschaftlichen Mittelpunkt der Stadt dar.

 

Auf dem Wege dorthin, vor dem alten Rathaus, begrüßte uns die „Banda Musicale San Gerardo Maiella“ und begleitete uns auf den Platz, wo wir von Herrn Bürgermeister Dr. Mariani herzlich begrüßt wurden. Viele der „Karlsfelder Muresi“, die ja gerade hier zuhause in Urlaub waren, hatten sich auch zu unserer Begrüßung eingefunden und so haben wir uns nicht so fremd gefühlt. Ausgezeichnete warme und kalte Spezialitäten aus der Region wurden uns geboten und in angenehmer Atmosphäre blieben wir gerne in der für uns ungewohnt milden Spätsommernacht bis weit nach Mitternacht im Freien sitzen.

 

Der nächste Morgen, Freitag, der 2. September, begann mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Das ganze weite Tal und Teile der Altstadt lagen im leichten Dunst, ein Ausblick, der das frühe Aufstehen belohnte. Ein Teil der Reisegruppe war im Hotel „Delle Colline“ untergebracht, direkt am oberen Rand der Altstadt gelegen; der andere Teil im Hotel „Miramonti“, ein paar Kilometer über den Bergrücken, in sehr schöner Lage mit Blick auf eine gänzlich andere Landschaft.

 

Nach dem Frühstück und dem Zusammentreffen beider Gruppen erwartete uns eine Stadtführerin, die uns durch die Altstadt zur Statue des „Heiligen Gerardo“, dem Schutzpatron der Region, führte. Von hier, hoch oben auf etwa 750 m ü. NN hat man einen guten Überblick über die Stadt und das gesamte Umland.

 

Im November 1980 hat ein Erdbeben sehr große Schäden in der Stadt angerichtet, dabei haben auch 22 Bewohner ihr Leben verloren, derer wird im November gedacht. Die Schäden an Gebäuden wurden mittlerweile behoben, trotzdem stehen viele Häuser in der Altstadt leer. Die Menschen sind wegen fehlender Verdienstmöglichkeiten fortgezogen, sie kehren nur während der Sommerferien „Ferragosto“ in ihre alte Heimat zurück. Ein Problem, das mittlerweile viele der malerisch auf und an den Berghängen gelegenen Dörfer betrifft. Zaghafte Anfänge eines sanften Tourismus sind erkennbar, haben aber noch keine unmittelbare Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung gezeigt.

 

Beeindruckend war auch der Blick in die Schlucht, bevor man zum Schloss und zur alten Burg und der Kathedrale gelangt. Das Schloss ist Privatbesitz, seine Besichtigung ist zwar möglich, aber nur in Verbindung mit der Burgruine interessant. Man versucht zwar mühsam die Substanz zu erhalten und zerstört leider dabei alte Strukturen, auch eine Folge des chronischen Geldmangels, unter dem auch diese Stadt leidet.

 

Ein Lichtblick und hoch interessant ist das ebenfalls in Teilen des Schlosses untergebrachte „Naturhistorische Museum“. Es zeigt die Entwicklung in der Basilicata von Beginn der Besiedlung bis in die Moderne. Ein Museum, wie man es hier nicht erwartet hatte, perfekt und anschaulich gestaltet.

 

Nach dem Mittagessen im Hotel „Miramonti“ war kurz Zeit, auszuruhen und sich auf die große Prozession vorzubereiten, die ja der eigentliche Hintergrund unserer Reise bzw. der Einladung seitens der Stadt Muro Lucano war. Mittlerweile hatten wir erfahren, was für eine große Bedeutung diese Prozession für die gesamte Region Basilicata hat. Die Bürgermeister der umliegenden Orte, Vertreter der Regionalregierung, reihen sich nach der Statue des Heiligen Gerardo, getragen von starken Männern und einer Frau! in den Zug ein. Unsere Damen und Herren, die Trachtenkleidung angelegt hatten, wurden als Abordnung mit unserem Bürgermeister Kolbe nebst Gattin in den Kreis der Offiziellen eingebaut. Gegen 18.00 Uhr setzte sich der sehr lange Zug vom Hauptplatz unter den Klängen der Banda durch den Ort in Richtung Kathedrale in Bewegung. Die Prozession dauerte bis in die späten Abendstunden. Anschließend wartete im Hotel “Delle Colline“ ein Abendessen auf uns, dessen Bewältigung eine Herausforderung darstellen sollte.

 

Das angekündigte Abschlussfeuerwerk sollte nach Einbruch der Dunkelheit vom Schloss aus stattfinden. Es wurde eine lange Nacht, mit einem Feuerwerk um 1.00 Uhr, das wir von unserem Platz wie von einer Loge wunderbar erleben konnten. Es hatte sich gelohnt, in dieser angenehm warmen Nacht so lange auszuhalten.

 

Nach der etwas zu kurz geratenen Nacht gab es wohl kaum jemanden, dem das Aufstehen am Samstag, den 3. September leicht fiel, immerhin sollte heute ein weiterer Höhepunkt unserer Reise stattfinden, eine Fahrt nach Matera, einer Stadt, von der man sagt, sie sei eine der ältesten Städte der Welt, natürlich einer der touristischen Höhepunkte der Region und Abbild einer langen Geschichte von der Altsteinzeit bis in unsere Gegenwart. Die Fahrt mit dem Bus führte quer durch die Basilicata Richtung Osten durch eine Mittelgebirgslandschaft mit sehr abwechselungsreichen Ausblicken. Viel unberührte Natur, teils felsige Böden, vereinzelt kleine Landwirtschaft mit Viehweiden, aber auch vereinzelt verlassene und verfallene Gehöfte, die Landflucht hat leider auch hier stattgefunden.

 

Da sich die Abfahrt am Morgen etwas verzögert hatte, trafen wir erst gegen Mittag in Matera ein. Dort wartete ein Fremdenführer, der uns für die nächsten zwei Stunden Wissenswertes und Interessantes erzählte. Ab 1042 begann in Matera eine Entwicklung, vom Siedlungsmittelpunkt bis zur Gründung einer Stadt, mit Palästen, Kirchen, Befestigungen zur Abwehr einer Vielzahl von Feinden, (Langobarden, Goten, Byzantiner, Sarazenen, Normannen), die in den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche Eroberungen und Plünderungen durchgeführt hatten, die ärmere Bevölkerung, eingesetzt in der Landwirtschaft und Viehzucht, hatte sich primitive, einfache Höhlen als Wohnungen in den Tuffsteinfels gehauen.

 

Diese Behausungen sind teilweise heute zu besichtigen, sie stellen den ältesten Teil der bewohnten Region Matera dar und werden die „Sassi“ genannt. 1993 als Weltkulturerbe von der UNESCO anerkannt, geht man mittlerweile sehr behutsam an eine Restaurierung und Erhaltung dieser einzigartigen Bebauungen heran, im gleichen Umfeld befinden sich viele Felsenklöster und -kirchen, die teilweise über eine beachtenswerte Architektur (dreischiffiger Innenraum, Kirche von Santa Lucia der Malven) und gut erhaltene Fresken verfügen. Da die gesundheitlichen Probleme, die durch das Zusammenleben von Mensch und Tier auf engstem Raum nicht mehr zu übersehen waren, wurde 1952 per Gesetz Nr. 619 die Umsiedelung dieser Bewohner in inzwischen errichtete Neubauten verfügt. Der Staat übernahm nun die sog. Höhlenwohnungen, deren Verfall drohte, weil sich niemand mehr für den Erhalt bzw. Unterhalt zuständig fühlte. Erst in neuerer Zeit, nachdem man das touristische Potential dieses Areals erkannt hatte, wurde ein Konzept entwickelt, mit dem man einem vielsprachigen interessierten Publikum und dem historischen Hintergrund gerecht wird. Steigende Besucherzahlen beweisen, dass man nun auf dem richtigen Weg ist.

 

Natürlich hat uns unser Stadtführer an alle Punkte geführt, die man gesehen haben muss, um zu verstehen, wie die Menschen hier gelebt haben.

Zum Mittagessen wurden wir in einem angenehm kühlen Restaurant, vollständig in Tuffstein gehauen, mit einem sehr schmackhaften, abwechslungsreichen und reichlichen Essen erwartet.

 

Auf der Rückfahrt gab es noch eine Weinverkostung in Rionero in Vulture, im „Weingut des Notars“. Nach einer kurzen Einführung durch den Besitzer ging es zehn Meter unter die Erde in handausgehauene Gewölbe bei etwa 12°C, in denen der Wein aus 2010 in Holzfässern (Eiche aus Limosin) lagert, bis er ausgereift auf Flaschen gezogen werden kann. In dieser Gegend wird die Aglianico-Rebe angebaut, eine Traube, die übrigens mit zu den ältesten Traubenarten Europas gehört. Bereits die Römer hatten diese Rebsorte (vulkanischer Boden) kultiviert.

 

In sehr freundlicher Atmosphäre gab man uns sehr edle Weine zum Probieren, dazu einen kleinen Imbiss. Im Hotel „Delle Colline“ wurden wir schon erwartet, alles war für ein großes Essen vorbereitet, man hatte sich wieder große Mühe gegeben und wirklich alles hervorragend zubereitet.

Zwischenzeitlich hatte sich auch Herr Bürgermeister Dr. Mariani mit dem Komitee von Muro Lucano eingefunden. In einer humorvollen Rede gab er der Freude über unseren Besuch Ausdruck und betonte, dass künftig ein reger Austausch stattfinden möge. Bürgermeister Kolbe dankte in seinerAntwortrede für die freundliche Aufnahme und übereichte die von uns erstellten Fotobücher, und betonte ausdrücklich den Wunsch nach einer gedeihlichen Partnerschaft in der Zukunft.

 

Zum Abschluss wurden jedem Mitglied unserer Reisegruppe eine aufwändig gestaltete Erinnerungs-Tafel und eine CD überreicht. Bis weit nach Mitternacht saß man in gemütlicher Runde beieinander und sprach über die Eindrücke der letzten Tage

 

Nach Beobachtung des mittlerweile schon alltäglichen Sonnenaufgangs blieb für ein Verweilen nicht mehr viel Zeit. Am Samstag, den 4. September stand gegen 8.00 Uhr der Bus bereit, der uns nach Neapel brachte. Trotz leichter Verzögerungen und einer kleinen Pause unterwegs haben wir den Flughafen pünktlich zum Einchecken erreicht. Auch der Rückflug und die Ankunft im München waren planmäßig. Die Fahrt mit dem Bus erfolgte bis zum Karlsfelder Rathaus, wo dieser wunderbare viertägige Ausflug sein Ende fand.

 

Resumee: Es waren lohnende, interessante aber auch sehr anstrengende Tage. Die freundliche Aufnahme unserer Reisegruppe und die Organisation des Rahmenprogramms verdient Anerkennung und es ist zu hoffen, dass sich vielleicht in absehbarer Zeit eine Neuauflage so einer Veranstaltung mit einem neuen interessierten Personenkreis durchführen lässt.

 

Peter-Ingo Nicolai

 

 

Foto: Privat