Integrations-Lotsen gesucht - Flüchtlinge beim Ankommen in Deutschland unterstützen

Integrations-Lotsen gesucht

Die neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Parzivalstraße mit ihren ersten Integrationslotsen

Integrationslotsen unterstützen Flüchtlinge dabei, sich bei uns einzuleben und zurecht zu finden. Damit hat der Arbeitskreis Asyl Dachau schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie nennen diese Begleiter „Integrationspaten“. Diese Erfahrungen aus Dachau waren Ansporn für den Karlsfelder Helferkreis, Ähnliches zu schaffen.

 

Soviel Neues und Ungewohntes stürmt auf die Asylbewerber ein, dass sie gut jemanden brauchen können, der ihnen mit Rat und Tat bei der Eingewöhnung zur Seite steht, der sie durch den Dschungel von Informationen, Regeln und Möglichkeiten dieses Landes lotst. Im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist es das Ziel, Flüchtlinge bei der Integration in unsere Gesellschaft zu unterstützen, und ihnen einen guten Start in unserem Land zu ermöglichen.

 

Der Helferkreis Karlsfeld sucht Integrations-Lotsen, die tolerant und offen sind für Menschen aus anderen Kulturen, die bereit sind, zuzuhören und ein bisschen Zeit und Verlässlichkeit zu schenken. Hierfür reicht schon etwa 1 Stunde pro Woche - wer entsprechend Zeit hat natürlich gerne auch mehr.

 

Die Lotsen - gerne auch ein Lotsen-Team aus beispielsweise 2 Personen - sind Ansprechpartner für eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen. Man braucht keine besonderen Vorkenntnisse, muss weder „allwissend“ noch Spezialist sein. Man findet Ansprechpartner im Helferkreis oder kann sich an Fachleute der Caritas oder des Landratsamtes wenden. Das Wichtigste ist: Sich mit unseren neuen Mitbürgern unterhalten. Ihnen Zeit widmen. Ein Ratgeber sein. Ganz einfach: Ein netter Bekannter, Nachbar oder vielleicht sogar guter Freund werden.

Die neuen Integrations-Lotsen werden von erfahrenen Helfern eingeführt und begleitet.

 

Wenn Sie sich angesprochen fühlen oder sich informieren möchten, wenden Sie sich bitte an lotsen@hk-karlsfeld.de oder telefonisch an Fabian Baur, 0176/98337842.

 

 

 

Wo können Integrationslotsen helfen?

Die Traglufthalle

In der Traglufthalle sind 280 Flüchtlinge untergebracht. Die meist jungen Männer kommen aus Afghanistan, Pakistan, Nigeria und dem Senegal. Die Nachfrage nach Deutschkursen ist groß, sie bemühen sich oft sehr. Es gibt zwar Sportangebote vom TSV, Spielangebote in der Halle, Fahrradtrainings, Gesprächskreise, einen Kochkurs, Joggingangebote, Spaziergänge.

Viele Hallenbewohner wünschen sich mehr Kontakt zu Karlsfeldern. Sie suchen einen Gesprächspartner, jemanden, der ihnen ihre neue Umgebung zeigt und erklärt, der Zeit für sie hat.

 

 

Erfahrungen

 

Mama Karin

„Freitags nachmittags biete ich in der Traglufthalle Spiele an: 'Mensch ärgere Dich nicht', Halma, solche Sachen. Wir lachen viel, auch über die kleinen Schummelversuche der Jungs. Sie nennen mich Mama Karin. Wir kommen auch ins Gespräch über deutsche Verbindlichkeit und Pünktlichkeit, Einhalten von Terminen ohne ständiges Erinnern. Oder über unsere Werte: Das Zusammenleben der Geschlechter, über Religionen, Nationen. Sie akzeptieren unsere Sichtweise mit einer großen Höflichkeit, auch wenn sie manches vielleicht doch anders sehen.“

Karin Boger

 

Strahlend

„Ich bin gerade beim Aufräumen. Wir hatten einen schönen Abend mit Christen aus der Traglufthalle verbracht. Gemeinsam beten, essen, reden, einander kennen lernen. Ich bemerke, wie O. eine Zitronenscheibe aus dem leeren Wasserkrug fischt und sie fein säuberlich auslutscht. Ich hätte die Zitronenscheibe in den Müll geworfen. In der Küche habe ich noch eine Zitrone. Ich hole sie und drücke sie O. in die Hand. Er strahlt vor Freunde und Dankbarkeit über das ganze Gesicht. Habe ich in Deutschland schon jemals soviel Dankbarkeit über eine Zitrone erlebt?“

Josef Enthofer

 

Bewegend

„Zweimal die Woche mache ich mit einigen Bewohnern aus der Halle einen Spaziergang durch Karlsfeld. Zum See, an der Würm entlang, ins Schwarzhölzl.

Dabei erzählen sie mir manchmal, was sie erlebt haben. Einer zeigt mir grausamste Fluchtfotos. Zurück in der Halle spielt er mir eine sanfte Musik vor, mit schönen Rhythmen und eingehender Melodie. Dazu singt er und tanzt. Ich muss schlucken.“

Claúdia Fischbach

 

Lernend

„Ich bewundere sie oft für ihren Humor, wie sie Spannungen untereinander manchmal einfach so weglachen oder mit einem kleinen Scherz darüber hinweg gehen. Aber auch ihre Geduld. Man wird selber dadurch auch entspannter.“

Karin Boger

 

Die Häuser an der Parzivalstraße

In den letzten Wochen sind dort 19 Familien eingezogen, mit 35 Kindern und Jugendlichen. Die meisten kommen aus Afghanistan, gefolgt von Syrien, Nigeria, Somalia, Äthiopien, Pakistan, dem Irak.

Einige kommen aus Eritrea, Uganda, Kongo, Senegal, Mali, Syrien, Iran, Tschetschenien, Kambodscha.

Die meisten kommen direkt aus Erstaufnahmestellen der Regierung von Oberbayern,

einige aus der aufgelösten Unterkunft an der Kufsteinerstraße in Dachau.

 

Wie können hier Integrationslotsen helfen?

„So unterschiedlich wie die Menschen sind auch ihre Probleme. Von A (will arbeiten) oder braucht einen Arzt, über B wie fehlendes Babybett und F wie Fahrkarte nach Dachau bis zum nicht funktionierenden SAT-Anschluss...es sind manche kleine Probleme und manche große, die wir nur mit anderen aus dem Helferkreis gemeinsam lösen können Wir brauchen dringend mehr Lotsen.“

Fabian Baur, Koordinator des Helferkreises

 

Erfahrungen

Eine fröhliche Stunde

„Für ein elfjähriges, behindertes Mädchen aus Afghanistan suchen wir einen passenden Rollstuhl. Über eine Versicherung kann das gehen, hören wir. Dazu braucht es konkrete Angaben über Größe und Gewicht. Das Mädchen gehört zu einer Familie mit Vater (63 Jahre, aber greisenhaft und sehr müde wirkend), Mutter (Ende 40), und drei erwachsenen Kindern.

Ausgerüstet mit Personenwaage und Jürgen aus unserem Helferkreis besuche ich diese Familie.

Nach anfänglich verwirrten Blicken beginnen wir mit unseren Erklärungen, deutsch, englisch - aber niemand versteht uns. Wir müssen uns wie im Rollenspiel und mit Händen und Füßen verständlich machen. Nach kurzer Zeit lachen wir viel. Wir stellen uns alle auf die Waage, die Familie reicht uns Block und Stift und wir notieren das Gewicht eines Jeden. Zum Schluss wird der große Bruder mit der kleinen Schwester gewogen, da sie ja nicht selbstständig stehen kann.

Die Stimmung war wirklich von Fröhlichkeit geprägt. Nach dieser Aktion mussten wir uns setzen und Tee trinken.“

Inge Proprentner

 

Die Vorkosterin

„Ich bin die Lotsin für fünf somalische Mädchen, Teenager. Sie plappern unentwegt, in einer eher hohen Tonlage, das klingt wie Musik. Ich nenne sie meine „Hühner“, Chicken. Sie kochen wie die Weltmeister und lieben Orangen über alles. Für einen Salat haben sie dicke Scheiben aufgeschnitten – und entsetzt los geschrien: „Blut“!. Erst als ich vor ihren Augen die köstliche Blutorange in den Mund gesteckt und aufgegessen habe, sank ihr Blutdruck.“

Claudia Fischbach

 

Steuernummer

„Als Beamtin wundere ich mich manchmal, wie unflexibel manche deutsche Behörden in der Flüchtlingsfrage arbeiten. Standardschreiben, z.B. wegen einer Steuernummer, werden nur in deutscher Sprache verschickt. Wer braucht denn hier als allererstes eine Steuernummer?

Ich versuche, unseren Flüchtlingen die Angst vor den Amtsschreiben zu nehmen, einen Übersetzer zu finden und sie zu beruhigen“.

Angela Saeb

 

Deutsch lernen und Suppe essen

„Die 21-jährige Tochter der afghanischen Familie brachte ihre Unterlagen zum Deutschlernen. Einfache Bildchen mit den dazugehörigen Wörtern. Sehr schwierig war es für sie, die Worte einigermaßen richtig auszusprechen. Wir gingen gemeinsam Bild für Bild durch und Mama und Bruder machten bei unserem „Deutschkurs“ mit. Die Zeit verging wie im Flug. Die Mutter bot uns immer wieder Suppe an und wollte, dass wir noch bleiben.

Als wir gingen, begleiteten sie uns hinaus und verabschiedeten uns fröhlich winkend.“

Inge Proprentner

 

Tee und Tee

„Mein Vater stammt aus Syrien, deshalb kümmere ich mich um eine syrische Familie. Obwohl ich nur „Guten Tag“ und „Bitte“ und „Danke“ in ihrer Sprache sagen kann, bin ich für sie eine ganz wichtige Vertrauensperson. Mit der Hilfe eines Dolmetschers kann ich ihnen helfen, zum Beispiel auf der Sparkasse. Ich werde immer zum Teetrinken eingeladen. Nachts kann ich dafür dann nicht schlafen.“

Angela Saeb