Gemeinde Karlsfeld feierte zum ersten Mal das jüdische Lichterfest

Gemeinde Karlsfeld feierte zum ersten Mal das jüdische Lichterfest „Chanukka“

1. Bürgermeister Stefan Kolbe entzündet die zweite Kerze.

(KA) Im Dezember hatten nicht nur die Christen Grund zu feiern, sondern auch die jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die ihr Chanukka-Fest zelebrierten. Vom 22. bis zum 29. Dezember veranstaltete die Gemeinde Karlsfeld erstmals gemeinsam mit dem jüdischen Verein „Jad b'Jad - Hand in Hand, e.V.“ das Lichterfest im Bürgertreff am Rathausplatz. Karlsfeld wollte mit dieser Veranstaltung erneut zum Ausdruck bringen, dass Karlsfeld ein Ort ist, an dem Menschen verschiedenster Kulturen und Religionen friedlich miteinander leben.

 

Nach dem internationalen Kulturfestival KOSMOS im Sommer 2019 und der Gedenkfeier anlässlich des Jahrestages der Reichsprogromnacht am 10. November, wurden nun die Chanukkia-Lichter von Vertretern der Gemeinde und des Vereins „Jad b`Jad“ angezündet. Es wurde gemeinsam gesungen, gebetet und es wurden viele interessante Gespräche geführt. Bereits am ersten Tag kamen zahlreiche Besucher, auch anderer Religionen. „Diesen Termin musste ich mir unbedingt freihalten, denn ich finde es gut, dass im gesamten Landkreis ausgerechnet Karlsfeld solch eine Veranstaltung initiiert hat, das finde ich sehr vorbildlich“, so die stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki.

 

Für diejenigen, die dieses Fest zum ersten Mal mitfeierten, erklärte Rabbi Baruch ben Mordechai die Entstehung. „Das Lichterfest ist ein acht Tage dauerndes, jährlich gefeiertes jüdisches Fest zum Gedenken an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 164 v. Chr. Die Menora, der siebenarmige Leuchter im Tempel, sollte niemals erlöschen. Nach der späteren Überlieferung war aufgrund der Kämpfe mit den Seleukiden nur noch ein Krug geweihtes Öl vorzufinden. Dieses Öl reichte für gerade mal einen Tag. Für die Herstellung neuen geweihten Öls werden acht Tage benötigt. Durch ein Wunder habe das Licht jedoch acht Tage gebrannt, bis neues geweihtes Öl hergestellt worden war. Daran erinnern die acht Lichter des 8- bzw. 9-armigen Leuchters Chanukkia“. Den Leuchter für diese Feier hat der Philosoph und Schreiner Erik Eggerz selbst gebaut. „Der Leuchter ist der Ausdruck der Seele des Menschen. Jedes Kind hat seinen eigenen Leuchter hergestellt. Nicht selten kommt es auch vor, dass der Chanukkia aus Bierflaschen besteht, jede Variation ist möglich“, lacht Gabriele Eggerz von „Jad b'Jad“.  

 

Schulleiterin und Gemeinderätin Ursula Weber durfte am 22. Dezember das erste Licht entzünden. Als evangelische Religionslehrerin war es für sie eine große Ehre, an dem Fest teilzuhaben. In ihrer Ausbildung habe sie sich bereits intensiv mit dem Judentum beschäftigt. „Das Licht sowie die Nächstenliebe haben in beiden Religionen eine große Bedeutung. Für mich ist die Werteerziehung an Schulen daher besonders wichtig“.  

 

Am zweiten Tag folgte 1. Bürgermeister Stefan Kolbe. „In der Gemeinde Karlsfeld gibt es viele Lichter. Menschen verschiedenster Religionen pflegen ein tolles Zusammenleben. Toleranz, Verständnis und eine gelebte Gastfreundschaft haben einen hohen Stellenwert in unserer Gemeinde. In Karlsfeld kann jeder sein Leben so führen wie er will“. Rabbi Baruch ben Mordechai kann diese Worte bestätigen: „In Ihrer Gemeinde fühlen wir uns aufgehoben“, lobte er Herrn Kolbe.  

 

Am 27. und 28. Dezember zündeten Dr. Páll Eggerz und Gabriele Eggerz von „Jad b'Jad“ die sechste und siebte Kerze an. Die sechste Kerze entspricht den sechs Tagen der Schöpfung, der siebte Tag ist der Schabbat – ihn heiligen wir. Wenn du sechs Tage lang die Schöpfung mit deiner Hände Arbeit geheiligt hast, wirst du am siebten Tag entlastet. Du bist frei – feiern ist angesagt. Da man nicht weiß, ob man morgen noch lebt, heißt es, diesen Tag sinnvoll zu füllen mit Heiligkeit und guten Werken wie anderen Menschen helfen, sie zu trösten, die Hand zu reichen und in Frieden zu leben“, erklärt Dr. Páll Eggerz. „Wir sind der Gemeinde Karlsfeld dankbar, die uns in Frieden und Sicherheit unseren Glauben ausüben lässt und dieses Fest gemeinsam mit uns feiert“.  

 

Am letzten Tag hatte 2. Bürgermeister Stefan Handl die Ehre, alle Kerzen nochmal zu entzünden. „Karlsfeld möge leuchten, denn wir dürfen die Hoffnung auf Frieden niemals aufgeben. In unserer Podiumsdiskussion auf dem Kulturfestival KOSMOS im Sommer 2019 hatten wir festgestellt, dass Probleme nur durch Unwissenheit entstehen, daher ist ein gemeinsamer Austausch stets wichtig. Diesen wollen wir in Karlsfeld weiter ausbauen. Als nächstes ist ein islamisches Fest mit Lesung geplant. Es gibt viele Gemeinsamkeiten in den verschiedensten Religionen, diese gilt es zu fördern.“    

 

Foto: KA